Wahre Kunst kann durchaus dysgrammatisch sein

Wegen einer sogenannten Baustelle in meiner näheren Umgebung versuche ich die Nacht zum Tage zu machen und umgekehrt den Tag zur Nacht. Doch es hat wenig Sinn, denn Lärm als Grundlage, ist weder zum Arbeiten noch zum Schlafen ideal. Der verlegene Verleger wird sich wohl nicht mehr melden. Oder vielleicht ja doch, auch das ist immer wieder ein neues Wartespektakel. Ein Verwandter zeigt mir, nachdem ich einen Film über den grossen Komponisten Helmuth Lachenmann gesehen habe, eine Postkarte die der ihm einmal hat zukommen lassen. Man arbeitete einmal zusammen. Alle mochten sich dabei wohl sehr. Die Studenten Herrn Lachenmann, Herr Lachenmann die Studenten, mein Onkel Herrn Lachenmann, Herr Lachenmann meinen Onkel, mein Onkel die Studenten und alle sich gegenseitig. Ist man vom Prinzip her garstig, ist das mit der Zuneigung nicht immer so einfach. Man neigt sich eher von jemandem weg, um einen Raum zwischen sich und dem jemanden zu schaffen, was dann, wenn man Glück hat, zu innerer Ruhe führt. Mit diesem Zwischenraum zu existieren ist aber immer eher ein abstrakter Vorgang. Dafür ist die Kunst, die aus Garstigkeit entsteht, manchmal eine spannende Angelegenheit. Was ja die Werke einiger Wüteriche deutlich zeigen. Wahre Kunst kann sogar durchaus dysgrammatisch sein, sie stachelt den Konsumenten (Konsument, was für ein widerliches Wort) an und der Zweck ist damit sozusagen schon erfüllt. Gestern beschäftigte ich mich den halben Tag mit Balbutiogrammen (akustische Aufzeichnungen bei Sprachstörungen). Je kleiner der Patient, desto bewegender die Aussprache. Kinder in einer Praxis für Sprachstörungen ist eine Sache, die mich nicht kalt lässt. Aber auch Erwachsene, die Probleme mit der Aussprache haben, sie sind in Zeiten von Telefonie wahnsinnig im Stress. Als junger Mensch dachte ich, dass man keine Fehler haben dürfe. Egal in welchen Bereichen. Das war eine unmenschliche Denke. Sie führte dazu, dass ich schließlich nur noch Fehler machen wollte. Ich wurde ein wahrer Fehlerteufel. Kein Wunder. Herr Lachenmann hat mich in seiner Art zu oppositionieren übrigens schwer angefasst. Es geht ihm nicht um Musik, so er, es geht ihm um mehr. Fussball (das ich dann sah) war so öde as etwas öde can be. Nie wieder werde ich den Vater einladen um ein so unglaublich langfädiges Spiel mit mir zu verfolgen. Er ging dann auch schnell wieder heim und fast stieg er nicht in den notwendigen Bus, der ihn heimbringen sollte. Er wurde abgelenkt von einem Taschendieb.

© Bettie I. Alfred, 13. Juli 2021


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