Manchmal schreibe ich des Nachts. In der Abwesenheit von Tageslicht und dem abgelegten Gehirn kommen mir oft interessante Gedanken. Um sie festzuhalten benutze ich einen Leuchtkugelschreiber, der nur so wenig leuchtet, so wenig, dass niemand sich gestört fühlt. Ich selbst kann beim Schreiben dann gerade so viel sehen, dass ich weiss, was ich schreibe und, fast das Wichtigste dabei, dass ich nicht auf bereits Geschriebenes schreibe. Wenn das nämlich passiert, kann ich nichts mehr lesen. Weder das, was sich unter den neuen Buchstaben befindet, noch das, was sich oben, über den alten Buchstaben befindet. Es gibt keinen Trick, um das Übereinandergeschriebene zu einem Nebeneinandergeschriebenen oder Untereinandergeschriebenen zu machen. Übereinander geschrieben bleibt übereinander geschrieben. Selbst, wenn die Minen verschiedenen Farben hatten, ist die Entzifferung unmöglich. Man ist dann aufgeschmissen und kann nur versuchen sich an etwas zu erinnern, das einen des Nachts eventuell bewegt hat. Heute Nacht nun schrieb ich also, wie so oft, mehrere Seiten mit dem Leuchtkugelschreiber pickepacke voll. Ich sah ihn, den Kuli leuchten und wähnte mich in Sicherheit. Doch nun, wo ich das Geschriebene in diesen fürchterlichen digitalen Blog übertragen will, sehe ich plötzlich, dass lediglich ein paar Druckstellen von Geschriebenem im Notizbuch zu sehen sind. Ab und an Fragmente von Worten, jedoch nichts am Stück, schon gar nichts mit Sinn. Die Mine des eigentlich nützlichen Schreibgeräts war wohl einfach leer geschrieben und ich hatte es ob der Dunkelheit, die neben dem kleinen Lichtfeld, das der Schreibstift machte, ansonsten im Zimmer herrscht, nicht bemerkt. Ich eilte nun, um für die folgende Nacht präpariert zu sein, zur Minenbox, wo ca. 500 frische Minen auf Verwendung warten. Sie wurden zum Stift dazu geliefert und ich war mir bei der Bestellung sicher, dass 500 eine gute Anzahl sei, da sie fürs Leben reichen würden. Ich fühlte mich im Besitz dieses Stiftes samt üppiger Nachladung, zumindest, das Notizen bei Nacht machen betreffend, dann wahrlich gut und war seit langem einmal diesbezüglich ganz ohne Sorge. Nun stellte ich verzweifelt fest, dass die Minen nicht passend waren. Ich entfernte die alte Mine und versuchte die neue einzusetzen, doch das funktionierte nicht. Sie war kürzer, als die, die man für mein Modell Leuchtstift benötigt. Ich raufte mir die Haare, denn da ich engstirnig ausgelegt bin, trieb mich der Gedanke, diese Hunderte von Minen nicht benutzen zu können, in eine miese Stimmung. Ich musste sogar weinen, weil ich es mit der Angst bekam. Mit der Angst, weil der Ärger des Sichgestörtfühlenden, der sich dann wieder entladen würde, wenn ich des Nachts nun einen gewöhnlichen Kugelschreiber benutzen und dabei natürlich, sonst könnte ich ja nichts sehen, das Licht an meinem Bett anschalten müsste, mir schon vor Augen stand. Je nach Geistesblitz gab es viel oder weniger Ärger. Besonders gross würde er werden, das kannte ich bereits aus Zeiten, als der Leuchtstift noch nicht existierte, bei mehr als nur einem Wort, das es zu notieren galt, da dann das Licht eine Weile anbleiben müsste um alles zu notieren. Der Mitwohner hat jedoch glücklicherweise 1. eine Feinmechanikerwerkstatt, 2. Geduld und 3. Grosses Interesse an nächtlicher Ungestörtheit. Ich bat ihn also die 500 Minen so umzuarbeiten, dass sie in den Leuchtkugelschreiber passen täten. Ich verpackte die Bitte so geschickt, pinselte seinen Bauch noch und nöcher was seine Fähigkeiten im Bereich der Feinmechanik betraf und der Mensch war sofort dabei. Nun ist es auch noch glücklicherweise so, dass gar nichts, als ich das kapierte war die Freude unglaublich gross, wirklich gar nichts an den Minen geändert werden müsste, sondern es sich weitaus einfacher gestalten würde die Minen mit dem Stift in Einklang zu bringen. Innen drin, sozusagen am Haltesystem des Stiftes, das die Minen während des Schreibprozesses beherbergt, muss nämlich lediglich ein kleines Stückchen abgeschliffen werden. Ganz einfach ist das und dann ist die Verwendung der zu kurz geratenen 500 Minen möglich, und der Kauf des Stiftes ist somit nicht für die Katz gewesen. Ich bin sehr glücklich! Heute Mittag sass ich nun in einer Gartenwirtschaft und hatte die Möglichkeit mich mit anderen Frauen über das Leben auszutauschen. Es macht Spass, wenn es zu einem Austausch kommt, doch man muss Geduld haben. Ich persönlich falle meist mit der Tür ins Haus und muss dann erst einmal wieder ganz ruhig sein, um die Situation nicht zu einem Karussell der Emotionen werden zu lassen. Ich neige nicht zu einem Pokerface sondern zum Gegenteil zu einer Art Memoryface. Zudem klettere ich ungern auf die Heuchelleiter, was manchmal zu Mißverständnissen und Abwehrraketenstationierungen führt. Trotzdem will ich nicht aufhören mich dem Menschen und besonders dem Frauenmenschen zu stellen. Er, dieser Mensch, hat mir nämlich, so meine Erfahrung, immer etwas mitzuteilen. Der Dirigent meiner Sinne ist jedoch schnell am Limit, besonders bei mehreren Menschen und in solchen Momenten, wo Freude den Emotionsfluss anregt. Zudem wurde ich gestern im Biergarten sitzend mit der Frage konfrontiert, was eigentlich das Wort Florilegium bedeutet. Es war kurz gefallen und ich hatte es mir schnell notiert, bei Tageslicht, sogar bei Sonne, mit einem ganz normalen Kugelschreiber. Man plauderte weiter, ich verstand nur Bahnhof. Nun schaute ich immer wieder einmal auf diesen Notizzettel, wo eben dieses mir vollkommen unbekannte Wort prangte. Als die Stimmung dann am Höhepunkt war, alle durcheinander fühlten, ohne mehr Angst davor zu haben, welche Thematiken sich daraus ergeben könnten, bemerkte man, dass es Zeit war zu gehen und Schwubs, war die Veranstaltung auch schon wieder aufgelöst. Zuhause hätte ich dann gerne etwas gelesen, doch mir hing nun doch die noch nicht ganz beendete Literaturwissenschaft aus dem Halse heraus und ich suchte im Regal nach einem Fremdwörterbuch, um endlich herauszubekommen was das notierte Wort nun eigentlich bedeutet. Es hiess dann Blütenlese. Hätte ich ein wenig mein winziges, aber zumindest das Wort Flora beinhaltendes Lateinwissen angewandt, wäre ich wie der Blitz von ganz alleine auf die Bedeutung gekommen und hätte dem Gespräch folgen und es eventuell sogar um Gedankenfetzen bereichern können. Nun war alles zu spät. Die Freundinnen bei sich zuhause und ich bei mir mit meinen Wörterbüchern allein. Zum Glück gab es die Katze. Sie ist ein Abbild der Wohnsituation und somit braucht sie rund um die Uhr einen Austausch mit mir. Verweigere ich mich, gucke und spreche sie zu selten an, wird sie schnell behäbig und unflexibel. Sie braucht einen Ansprechpartner! Auch wenn Tierforscher behaupten, dass das Tier den Menschen nicht braucht. Der Mensch will das aber gerne, dass das so ist, also, dass die Katze ihn braucht.
© Bettie I. Alfred, 2.10.2020