Ab in den Knast !

Ich gehe bereits am frühen morgen in den kleinen runden Park, der einst botanischer Garten war. Buchen und Nadelgeäste stehn da und ich warte erst auf das Weichhörnchen, das so scheu wirkt, im Gegensatz zu dem frechen, das einem gleich auf die Hand hüpft, dass ich es eben Weichhörnchen nenne. Es ist aber nicht da und somit tue ich das, wofür ich gekommen bin: Joggen. Ich fühle mich wie eine dicke Seekuh, die durch den Regen schwimmt. Dabei habe ich, neben der Schlafanzughose die leider aufträgt, doch wirklich sportiv wirkende Eysicks an. Aber mithalten kann ich damit nicht, denn sie sind schmuddelig. Die Runden sind klein und ausser einem Nordischen Geher ist nur noch ein aufgeplusterter Mitfünfziger mit Bart und Kapuzenpullover, alles in schwarz, am Start, der immer wenn ich mich vorbeischuffte einen Sprint hinlegt, als sei er 20 und im Endspiel seines Lebens. Einmal boxt er auch mit der blossen Faust gegen eine grobe Baumrinde. Ich drossle beim Vorbeilaufen das Tempo auf vielleicht 0,1 kmh und fühle mich total erwachsen neben ihm, dem Boxsprinter, obwohl er garantiert älter ist als ich. „Tut gut, was?“ frage ich während er mit eben seiner blossen Faust in die Baumrinde boxt. Er lachte unsicher, denn sowas tut weh. Dann denke ich, das er als Kind vielleicht ein sogenannter Körperklaus war und deshalb jetzt im Alter so aufdrehen muss. Dass ich nicht mal beim Sport treiben aufhören kann eines Menschen Vorleben zu imaginieren, das, so sagt dann der Ehemann, sei wirklich bedenklich. Dann ruft die Akademie der Künste an. Ich stehe unter der Dusche. Der Zähler rast und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich soviel Strom verbrauche nur um die paar Schweissperlen wieder loszuwerden. Sie meldet sich später, sagt die Mitarbeiterin zum Drangeher*. Ich habe dann Angst. Weil ich immer das Schlimmste überhaupt denke. ….Man will mich anzeigen, weil ich gar nicht stipendiatenwürdig bin. Ich geh dann als es klingelt tapfer ran. Wie man meinen Namen schreibe, sie wollen die Liste veröffentlichen und keine Fehler machen. Mit I oder mit Y? Ach so! platze ich raus und der Tag fühlt sich dann an wie der erste Tag nach Bautzen. Herrlich.

* Gestern Abend hörte ich eine Schallplatte eines Einakters von Cocteau. Hildegard Knef sprach eine einsame Frau am Telefon. Beim endlosen Telefonieren mit ihrem Geliebten erscheint ständig eine fremde Person in der Leitung. Hilde sagte dann immer: Hängen sie gefälligst an! Ungewohnte Ausdrucksweise, man kennt ja sonst nur hängen sie sich auf oder legen sie auf, aber anhängen? Es muss doch ein sehr altes Stück gewesen sein, aus einer Zeit, wo man eben die Hörer noch anhängte und nicht auflegte.

© Bettie I. Alfred, 1.11.21

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