Ich las Zeitung, zur Bildung einer Meinung. Heutzutage fühlen sich viele Menschen „im Stich gelassen“, steht da. Was für eine Ausdrucksweise, „im Stich gelassen“. Ich muss schauen woher diese Ausdrucksweise kommt. Man kann nicht wirklich immer von ganz alleine auf den Ursprung gewisser Ausdrucksweisen kommen. Obwohl die Assoziationen zu dieser Redewendung, bei mir zumindest, eindeutig sind. Ein Kind sitzt mit rotem pulsierendem Gesicht, Arm oder Bein auf der Wiese und heult. Die Biene bzw. Wespe stach zu und es schreit um Hilfe. Doch niemand fühlt sich zuständig. Die Redewendung, so zumindest die allgemeine Vermutung der Wissenschaft, kommt aber aus einer anderen Szene. Nämlich aus der guten alten Ritterzeit, wo man mit Lanzen kämpfte und der Knappe des Reiters, im Falle, daß der gestochen und von seinem Pferd abgeworfen wurde, ihm wieder hoch helfen musste, was wegen der schweren Rüstung kein Spass war und weswegen der Knappe ab und an ganz plötzlich verschwand. Nun ja, mag sein, daß diese wunderbare Redewendung „jemanden im Stich lassen“ tatsächlich daher kommt. Warum auch nicht. Ich liebe diese Redewendung jedenfalls, denn sie macht deutlich wie schön die menschliche Sprache Bilder für gewisse Gefühlsbereiche findet. Daß viele Thematiken die sich in Redewendungen verstecken mit dem Menschen, der so gerne eine Paradenummer wäre und jedoch lediglich ein mauseriges Wesen, das an Nichtigkeit nicht zu überbieten ist, zu tun hat, ist, je mehr ich mich mit der Sprache befasse, ziemlich eindeutig.
Das Hörereignis „Imperium“ das ich gestern samt zweier Grogs aufsaugte, hat Spuren hinterlassen. Am Morgen desorientiert wie ein Regenwurm nach einer Hitzeperiode, schleppte ich mich früh erwacht zum Arbeitstisch. Alkohol ist nie eine Lösung auch, wenn er kurz Verspannung lösen kann. Er ist und bleibt eine Pseudomedizin bei Unreife und Verunsicherung. Eine wunderbare Redewendung schiesst mir nun noch in die Augen (sie prangt in einem uralten Notizbuch, dass ich leger durchblättere) „Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten!“ Frage mich, ob ich jemals ein Häkchen werden wollte.
© Bettie I. Alfred, 1.12.21