Ich bereite eine Nachspeise ohne Zucker, um die Ernährung einmal eindeutig ins Gesunde übergehen zu lassen. Der Mitbewohner sagt, sie schmecke wie die Abdichtdecke, die wir im Winter vor die Eingangstür legen, um den Durchzug zu mindern. Ich bin nicht gekränkt, denn ich ahnte es. Wer Zuckerwaren liebt, kann einfach keinen Gefallen an Ökoernährung entwickeln. Wegen eines abgebrochenen Zahns mache ich dann einen Termin am 23. 12. beim Zahnarzt. Des Mitbewohners Kommentar: „Oh, das ist aber riskant!“ Immerzu schubst er mich in die Realität. Ich entdecke eine kleine Broschüre mit „Tips für sie“ Untertitel “ Frisuren, die sie jünger machen“ aus den 70er Jahren. Darin sind 25 Frisuren (auf extra fürs Heftchen frisierten sehr jungen Frauen) zu sehen, die bis auf vielleicht zwei Ausnahmen, fast alle in Form und Welligkeit vollkommen gleich sind. Sie heissen im Grunde auch alle gleich: Flip. Nur der Anfang variiert: Seitenflip, Wirbelflip, Classicflip, Partyflip usw. usf. Die Frauen sind um die 20 und sehen mit allen Flips vollkommen gleich, aber tatsächlich jung aus. Aber eben so jung, wie sie auch sind. Wie 22, 23, 24, oder gar 25. Würden alte Frauen diese Flipsfrisuren tragen, wären es alte Frauen mit Flipsfrisuren. Jünger machten diese Haare sie bestimmt nicht, lediglich ein Zerrspiegel oder die Frostfolie (weisse Folie die man im Filmbizz vor die grelle Lampe klemmt damit das Licht weich wird und die hässliche Realität schöner aussieht) täte das eventuell vermögen. Die 70er Jahre und heute, oder wann immer sonst, es war schon immer eine schwierige Zeit, egal wann, denn es wurde gelogen, und es wird weiter gelogen, wo man auch hinsieht. Alles war und ist immerzu gelogen. Rama machte nie das Frühstück gut und Ernte 23 machte nicht locker, sondern auf Dauer eher krank. Zucker macht natürlich sehr schnell gute Laune, das ist klar und doch alles kaputt! Eine neue Diätform schlägt vor, jedes Mal, wenn man eine Schokolade essen will, erst einmal einen Baum zu umarmen, oder wie der Österreicher sagt einen Baum anzugreifen, und erst dann die Schokolade zu essen. Ich sehe oft Menschen Bäume umarmen. Dass das einmal Mode wird, wer hätte das in den Plastic-70th geahnt? Der Mensch wurde ja immerzu, an Plakatwänden, oder im Film, als ungeheuer menschlich dargestellt, egal wie künstlich sein Umfeld auch war. Ich las dann einmal in einem Buch über Säugetiere, dass Kegelrobbenmütter die kürzeste Mutter-Kind-Beziehung im Säugetierreich überhaupt haben. Lediglich 15 bis 21 Tage fühlen sich die Mutterrobben für die Kinder zuständig. Ihr Image ist jedoch ein anderes. Wie auch beim Mensch die Mutter oft einen Heiligenschein trägt. Es gibt aber Stämme, wo Kinder wohl viele Mütter haben. Den Ödipuskomplex gibt es dort angeblich nicht.
© Bettie I. Alfred, 15.12.21