Ein Flimmerhärchen im Empfindsamsein

Sitze in meiner Kemenate (Wohnraum in einer Burg, der einen Heizofen beinhaltet) und frage mich wer recht hat. Eine dumme Frage, denn nie hat nur einer recht. Es mischt sich, je mehr man sich in den eingebildeten Rechthaber einfühlt, desto mehr wird der, der im vermeintlichen Unrecht steht, zum Wahrheitsverkünder. Ist man ein Flimmerhärchen im Empfindsamsein hat man es in Streitigkeiten ziemlich schwer zu einem eigenen Resultat zu kommen. Eine gewisse Stumpfheit hilft da, jedoch ist sie nicht das, was zu einem heiter-melancholischen-Liebesabenteuer oder zu lyrischer Schriftstellerei führt. Habe vorgestern eine wundervolle Weihnachtsgeschichte gelesen. Ein mir vollkommen unbekannter Autor namens William Sansom hat sie geschrieben und ich möchte sie an Weihnachten dringend jemandem vorlesen. Ob der will oder nicht. Ein wenig Heimeligkeit in all der Abgründigkeit dieser Zeit würde mich nämlich erfreuen. Doch ich ahne, daß es die Katze sein wird, der ich diese Geschichte vorlesen werde und nicht der Mensch. So what! Heimeliger als bei einer Lesung, der ein wunderschönes Felltier lauscht, kann es ja am heiligen Abend kaum werden. Das Geschenkeproblem ist im übrigen nicht zu lösen. Es ist bei manchen Menschen oder sagen wir bei manch einer Hose (mir kam die Idee den Menschen nur noch als Hose zu bezeichnen, warum weiss ich nicht) vollkommen egal, was man auch schenkt, es ist immer eine Enttäuschung. Mir kam dann die Idee, einen teuren Grappa zu kaufen, den durchsichtigen wohlgemerkt, ihn um – und mit Wasser wieder aufzufüllen und ihn so, das Neuwertigkeitsetikett wieder korrekt angebracht, den Eltern zu schenken. Es wäre nicht schlimm für die, im Gegenteil, sie stellen die Flasche sowieso nur irgendwo hin und würden sie niemals öffnen, ob des Wertverlustes. Und würden sie die Flasche doch einmal ganz unvorhergesehen öffnen, heimlich des Nachts vielleicht, wahrscheinlich wärs der Vater, und wäre der Schock dann gross, weil die schön anzuschauende ziemlich expensiv wirkende Flasche lediglich Wasser beinhaltete, könnte ich immer noch behaupten, dass das ganze ein riesiges, aber schönes Mißverständnis gewesen sei. Das Thema Sinnlosigkeit des Geschenkeakts verfolgt mich seit Jahren und es wird mit der Zeit immer deutlicher, dass es so ist. Nur das persönlich gestaltete Geschenk macht, in meinen Augen, noch Sinn, denn kaufen kann sich eh jeder immerzu alles. Sogar ohne Nachweis, man berichtete es mir, es ginge oft unter im Rausche des Geschäftes. Whitakers Tabelle der Rangordnung (abgedruckt in Whitakers Almanack, ein Nachschlagwerk das Winston Churchill schon mit Begeisterung las) muss irgendwann völlig neu sortiert werden, das steht jetzt schon fest.

Bettie I. Alfred, © 2021, 22.12

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