Krimigucken ist sinnlos, so sinnlos wie sortierte Natur

Sitze im Sessel, im Hintergrund dudelt die Art Pepper Band und ich frage mich, vor dem weissen Blatt sitzend, was ich eigentlich gerade machen wollte. Zum Glück fällt es mir dann von ganz alleine wieder ein: Ich wollte etwas schreiben. Aber wo ist die Brille? Ach ja, auf dem Kopf. Dann kann es tatsächlich losgehen. Zweiter Weihnachtsfeiertag, sonnig und kalt und ich radle durch die Gegend meiner Jugendzeit. Der Kudamm und seine Boutiquen…. (sang schon Heinrich Lummer so schön). Da waren wir immer. Wir, die Teenager. Also nicht in den Boutiquen drin, zumindest nicht immer, ab und zu vielleicht mal, sondern draussen, auf den Bürgersteigen des Kudamms. Man ging diesen Kudamm auf und ab und war zufrieden, weil es, warum auch immer, Spass machte diesen dussligen Boulevard auf und ab zu gehen. Bei der WOM – World Of Music – Fernsehwand blieb man meistens stehen und wartete Ewigkeiten auf das Video von Prinzessin Stefanie von Monaco. Danach kam ein Iggy Pop, ein komischer Typ. Ungefähr so alt wie mein Vater, aber doch kein Vatertyp, eher ein Lehrertyp. Jeans, T-Shirt, Seitenscheitel. Er sang BlaBlaBla… Ach, komm wir gehen, sagte die Freundin dann.
Es ist mir als sei das gestern gewesen. Wie kommt das nur, dass ich Situationen, die über 30 Jahre her sind, so dermassen kleinteilig konserviert im Hirn trage? Ich laufe dann, habe inzwischen mein Rad abgestellt, Richtung Wittenbergplatz. Irgendwo haben sie dann eine Wiese, die mal vollkommen zugewachsen war, entbaumt und entgebüscht. Ich verstehe das nicht, wieso macht man das? Man nennt das was dabei herauskommt in der Fachsprache sortierte Natur. Ich hasse sortierte Natur! Ausser, wenn sie einen Sinn ergibt. Wenn sie, die sortierte Natur z.B. in einem Krimi andeuten soll, dass die Hausbesitzer, denen auch der Garten gehört, eiskalte Aften sind (eine Afte ist eine Entzündung im Mund, aus irgendeinem Grund nennen wir, der Mitbewohner und ich, seit Jahren schon, Menschen die wir für Halsabschneider halten, anstatt Hornochsen, Aften), dann versteh` ich die Existenz von so etwas Uninspirierendem wie sortierter Natur. Die Art Pepper Band dudelt vor sich hin und der Mitbewohner sitzt an diesem zweiten Feiertag ein paar Meter neben mir und hofft innerlich, das weiss ich ganz genau, dass sie, die Musik, mich hypnotisiert, damit ich vergesse, dass wir heute Fernsehen gucken wollen. Er (und ich auch, aber manchmal bin ich verhirbelt) mag eigentlich weder Fernsehen der Neuzeit, noch, dass man sich im Nachhinein über das Geschaute unterhält, und zudem, als sei die Berieselung nicht schon unnötig genug, noch abwägt, ob es lediglich langweilig oder sogar scheußlich war, was man da angeschaut hat. Ich kann es verstehen, dass, wenn man ein Bein gebrochen und zudem etwas erlebt hat, was man unbedingt vergessen möchte, dass man dann in den Fernseher schaut und sogar, dass man nach einer Sichtung weitschweifige Analysen anstellt. Jedoch ist dies meistens nicht der Fall. Lediglich die Angst vor einem unglamourösen Istzustand lässt einen die Ersatzwelt des Fernsehens in Erwägung ziehen und sie sogar über Stunden, regungslos anstarren.
Heute ist nun also Endweihnachten und die Feierlichkeit kommt einfach nicht mehr in Schwung, denn man hatte ja schon alles: Fleisch, Geschenkberge und Eisblumen am Fenster. Und egal wie es weitergeht, denn irgendetwas muss ja noch kommen, es gibt momentan keinen Grund fernzusehen !

© Bettie I. Alfred, 26.12.21

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