Seit Monaten will ich Heinrich Heines Eigenwill, der sich angeblich selbst nicht ernst nahm, näher unter die Lupe nehmen. Doch immerzu kommt etwas anderes, eine andere Lektüre, dazwischen. Mit Becketts Watt habe ich etwas angefangen, was schwer zu beenden ist. Liest man am Abend ein paar Seiten und taucht nicht 100 % ein, fällt es am nächsten Abend äußerst schwer einen Anschluss hinzubekommen. Ich muss, um wieder in Fahrt zu kommen, zwei Seiten wiederholen und schließlich spielt sich ein Rhythmus ein, der nicht wirklich befriedigt. Herauskommen dabei zwei Seiten pro Abend. Und selbst die Notizen, die dabei abfallen sind keine Stütze, um schneller ins Geschehen eintauchen zu können, denn auch sie erfordern, dass ich sie noch einmal lese und zudem ins Gelesene einordne. Becketts Watt muss wahrscheinlich am Stück gelesen werden. Doch finde einmal die Zeit um ein ganzes Buch auf einmal lesen zu können. Genau um den Kollaps durch Überforderung zu verhindern, weist das ordinäre Buch Kapitel, Überschriften, Absätze und Gedankengeländer auf. Das ist vollkommen richtig, aber doch auch ein Korsett in das der Inhalt gestopft wird, um den Leser nicht zu überfordern. Dabei ist es genau das, was ich an Beckett so mag, diese ständige Überforderung, mit der man allein gelassen wird und ab und an nicht zurecht kommt. Kommt man aber dann doch ganz plötzlich, damit zu recht, ist es eine Freude sich in diesen Kosmos des Unwirklichen und Verzehrten hineinziehen zu lassen. Es entstehen seelische Reibungen, die ich so bei Literatur selten habe. Und meint man sich verloren, kommt ein Hut vorbei, so wie ein Leitmotiv erscheint er einfach. Ähnlich wie Bernhards Lieblingswort Stumpfsinn erscheint, erscheint bei Beckett der Hut. Aber auch die Liebe spielt eine grosse Rolle. Aber nie als Lösung, immer als Aufgabe. Lässt man sich ein auf alles, ist man nach wenigen Absätzen vollkommen eingesperrt. Wie im Leben bin ich ja eigentlich nicht ungerne eingesperrt. Besser eingesperrt, als ausgesperrt!
Der Ehemann berichtet, dass der KGB wieder mit Schreibmaschinen arbeitet. Es sei sicherer. Phantastisch, antworte ich.
P.S: Diesen Text hätte ich mit Schreibmaschine schreiben sollen.
© Bettie I. Alfred, 7. Feb. 2022