Ich höre bei der Arbeit, die ich nicht als Arbeit bezeichne, die aber im Grunde genommen doch eine ist, aus einer Art verallgemeinerter Anteilnahme heraus, den russischen Radiosender. Wie immer funktioniert es nicht zu schreiben und dabei Radio zu hören, zumindest, wenn gesprochen wird. Die Musik, die man zwischendurch spielt, ist dann einfacher auszuhalten, doch schafft sie eine zum Inhalt des Geschriebenen zunehmend konträre Atmosphäre, die dann nicht wirklich zu integrieren ist. Pathetische Männerstimmen singen dann zu heftigen Beats. Egal was sie singen, es klingt einfach immer pathetisch und zudem kämpferisch. Ich mach dann lieber eine Kassette an, die zufällig herumliegt und auf der etwas steht, was ich nicht lesen kann. Es ertönt dann lediglich das Brummen des wohl kaputten Rekorders. Ich habe vor Kurzem satt Tunerspray auf den Schieberegler gepumpt, da er beim Schieben höllenartig knarzte. Nun ist wohl alles hin. Ich versuche eine Weile zum Brummen zu schreiben. Dann schalte ich wieder auf Radio um. Dieses geht noch und ich drehe so lange bis englische Nachrichten kommen. Während jemand etwas „Vor Ort“ berichtet, wovon ich erst einmal nur das Wort heavy shelling heraushöre, lese ich in meinem Notizbuch den Satz: Die Vergangenheit ist stets das Jetzt bei uns allen. Das passt dann, denn es geht in diesem Bericht im englischen Radio, natürlich, wie überall jetzt, um den Krieg. Ich kurble weg, es ertönt ein Streicherkonzert. Klingt wie Shostakovich, denk ich und muss an einen Film über diesen denken. Kunst und Politik griffen bei ihm so ineinander, wie wohl bei wenigen Komponisten. Isang Yun fällt mir noch ein. Sein Haus in Berlin sollte nach dessen Tod zu einem Veranstaltungsort werden. Man bekam es vorerst nicht finanziert und räumte es. Inzwischen ist es wiedereröffnet und man veranstaltet Konzerte darin.
Es war dann Ravel und nicht Shostakovich.
© Bettie I. Alfred, 24.2.22