Höre weil ich aufräumen muss und die Menge der Unordnung mir sehr düstere Stimmungen verschafft, Ravels Gaspard De La Nuit, gespielt von jemandem, der bzw. die das sehr gut kann und die ich beneide, weil sie das so gut kann. Es muss so phaenomenal sein so etwas spielen zu können. Schreiben kommt mir dagegen vor wie Holzhacken. Heute ging ich zum Einkaufen und da sass auf dem Metallzaun vor dem Bolzplatz eine Krähe. Ich liebe diese Krähen. Sie gucken einen an und hopsen herum wie Kinder, die sich langweilen. Was wäre die Welt ohne Musik und ohne Tiere, speziell ohne Vögel, ohne komische Vögel? Noch mehr Jammertal, als sowieso schon. Zum Schreiben sagte Bernhard, dass die Wörter ruinieren würden was man denke. Ein interessanter Gedanke, jedoch ist es bei mir wohl genau umgedreht, das viele Denken ruiniert bei mir ständig was ich schreibe. Ein Freund erzählt, dass einer im Kindergarten seines Sohnes das sogenannte Struwelpetersyndrom hätte. Bei dieser Krankheit habe man so widerborstige Haare, dass keine Bürste und erst recht kein Kamm da für Ordnung sorgen könne. Ich muss sofort daran denken, wie ich als Kind davonlief, wenn der Vater mit der Bürste ankam. In die Schule gehen durfte man nämlich nur gebürstet. Als ich später Freunde mit Rastalocken hatte, hielt ich immer einen gewissen Abstand zu ihnen. Die Vorstellung, dass sie noch mehr Angst vor elterlichen Frisierattacken haben mussten als ich es schon nur wegen welligem Haar hatte, machte mich fix und fertig. Aber irgendwie finde ich es doch schlimm, dass man verstruwelten Menschen inzwischen eine Krankheit andichten will. Der Mensch und besonders der Medizinmann will auch immer nur überall etwas diagnostizieren. Deshalb ist mir auch Freud inzwischen enorm unsympathisch. Überall suchte er nach Auffälligkeiten. Dabei gibt es keinen einzigen Menschen ohne welche. Und die Künstler sind einerseits immerzu die, die man lobt, aber wehe sie verlieren sich zu sehr in etwas, gar in sich selbst. Kafka hat einmal etwas in diesem Sinne gesagt: Ich bin oft überfliessend und doch lediglich ein Topf auf einem kalten Herd. Ja, dieses Gefühl kenne ich gut, lieber Franz!
© Bettie I. Alfred, 9.4.22
P.S: Morgen gibts im Radio des WDR3 um 19:04 (nicht 5, nein, 4!) meine Zauderwut zu hören. Da gehts auch kurz um Haare!