Kunstwerke des Lebens

Es ist schwierig, wenn man gelernt hat durch die Simulation eines Trauerkloßcharakters, die Aufmerksamkeit von anderen auf sich zu lenken, anstatt einfach mal den Mund zu halten und in der Menge unterzugehen, ohne gleich das Gefühl zu entwickeln lediglich ein unsichtbares Flatterhemd und kein Mensch mehr zu sein. Gerne lenke ich meinen Blick auch auf Dinge, die Wind machen. Gerade z.B. sitze ich an einer exponierten Stelle in einem parkähnlichen Grünstreifenansatz und lese im Ehebuch vom Niels Kampmann Verlag das Kapitel Die Ehe als Kunstwerk. Jemand will mir Blumen schicken, weil ich geheiratet habe. Ich stoppe die Idee und erkläre, dass ich doch schon vor fünf Jahren und zwar wegen der billigeren Krankenkassenbeiträge geheiratet hätte. Er schickt ein Schmunzelgesicht und schüttelt den Kopf (auch als Zeichnung). Ich bin baff, er glaubt mir nicht und will ein Foto sehen. Von was? Frag ich. Von der Feier, er. Ich frag welche Feier, denn bis auf einen dünnen Kaffee und ein Stück Rüblikuchen zu zweit gab es, soweit ich mich erinnere, nichts. Ich bin unemotional, was heiraten betrifft, merke ich. Und auch sonst in Bezug auf alles, was Fotos erzeugen soll, die man herumreicht. Ehe. Es gibt zwei Gründe für so etwas: Liebesheirat und Vernunftheirat. Zumindest im Buch von Kampmann. Lustig als seien Liebende partout unvernünftig und als hätten Vernünftige keine Gefühle in Richtung Liebe. Dusslig ist es allemal sein Leben in Klischees zu leben. Viel besser, als ein Bild von einer Glücksheirat zu haben, kann es sein mit einem Hund oder einem anderen Tier zu leben und ein Foto davon zu haben. Man kann eigentlich froh sein, dass es es in jeder Hinsicht, freie Wahl gibt. Also jeder machen kann, was er/sie/es will. Trotzdem hat man im Park schnell das Gefühl, als gäbe es eine Ehepflicht. Geh weg! ist doch bei Paaren sehr oft zu hören. Dabei ist er doch schon weg, also gefühlsmässig. Nun gut, der Hauptgrund wieso ich dieses Buch wählte, ist der, dass es in Greifhöhe direkt neben meinem Schreib- und Denktisch stand, als ich ein Buch für den Park, sitzend, suchte. Ich bin faul und meine Ehe ist weder eine Vernunftehe noch eine Liebesehe. Doch das geht niemanden etwas an.


© Bettie I. Alfred, 3.Jubeljuni 2022


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