Das Leben als Teenager ist nicht einfach. Andauernd die Frage, wo man hingehört. Ich versuchte immerzu irgendwo hinzuzugehören, tat es aber nicht. Zu den Berlinern gehörte ich nicht, weil der Vater aus Bayern kam, zu den Neubaubewohnern nicht, weil ich im Altbau wohnte, zu den Familien nicht, weil ich aus Patchwork kam und zu den Coolen nicht, weil ich Angst hatte. Auch für die Lieben war ich zu garstig und für die Garstigen zu brav. Für die Schlauen war ich zu dumm und für die Dummen zu schlau, für die Lustigen zu ernst und für die Ernsten zu fröhlich. Somit schlängelte ich mich immerzu durch die Zwischenzonen. Bis ich kapierte, dass dies auch ein Zuhause ist. Zuhause kommt übrigens von hausen. Die alte Mutter des Bekannten fragt pausenlos, ob man jeden Tag arbeiten würde. Als sei das das Zeichen dafür, dass man ein guter Mensch sei. Der Ehemann ist schlau und sagt „Natürlich, JEDEN Tag, von morgens bis abends!“ Sie ist mit der Antwort dann zufrieden. Die Tatsache, daß Glücklichsein nicht wirklich ausschließlich mit der Anhäufung von viel Geld zu tun hat, scheint ihr vollkommen fremd zu sein. Natürlich beruhigen die Penunsen, doch mehr auch nicht. Ich muss dann an den Mercedesfahrer denken, der das Mottenproblem nicht in den Griff bekommt. Vor seinem Haus steht eine riesige Kastanie. Die Miniermotte fliegt, sobald das Fenster offen steht, in sein Schlafgemach. Ich schlage ihm so ein Spray vor, das mache Atemnot, sagt er. Das stimmt, sag ich, aber die Motten seien ganz schnell erledigt. Ich aber auch, sagt er und steckt sich eine Zigarette an. Leben ist immer unsinnig, egal wo und wann.
© Bettie I. Alfred, 27.5.2022