Die Faulheit ist eigentlich ein Kunstwerk

Die Faulheit als Symptom ist nach Alfred Adler eine zweckdienliche Schöpfung des Menschen. Man mag über diesen Satz schmunzeln, doch mich lässt diese Thema nicht kalt. Der Vater sprach oft mit anderen Menschen über die stinkendfaule Tochter. Man stellte Regeln auf. Erst lernen – dann Fetemachen. Es funktionierte nicht, nervös und unkonzentriert zappelte man herum. Hätte man sich wissenschaftlich mehr mit dem Symptom befasst, hätte man erfahren, dass die Behandlung des Symptoms zwecklos ist und man mit dem Herumbasteln an ihm, reine Symptomkosmetik betreibt. Da ich mich selbst viele Jahre, pädagogisch enorm interessiert, trotz meiner zeitweise hervorstechenden Untätigkeit, immerzu weiterbildete, liess ich mich durch das Studieren von Büchern über „schwierige Kinder“ immer wieder selbst bestätigt wissen, was ich intuitiv schon immer gewusst hattee: Druck hilft bei Kindern (wie bei Erwachsenen übrigens auch) nie und die Frage wogegen er sich eigentlich richtet, ist die weitaus wichtigere, als die, wie man ihn eigentlich aufbaut. Der von Faulheit Betroffene folgt nach Reinhold Ruthe (Individualpsychologe) einer Art „privater Intelligenz“. Faule Kinder, so er, seien wie Seiltänzer, die Dank eines selbstgeknüpften Netzes weicher fielen, als strebsame Kinder, die abstürzten. Weich, da es weitaus schmerzfreier für sie sei, wenn man sie als „faul“ bezeichnete, als wenn ihnen ständig angedeutet würde, dass sie dumm und unfähig seien. Ruth konkretisiert sein Bild noch und ist der Meinung, dass die Wahl des Symptoms, allein schon eine große künstlerische Leistung darstelle und somit eine Schöpfung, sprich eine schöpferische Leistung sei mit der das Kind vermeintliche Niederlagen, die ihm ansonsten immerzu drohen würden, zu umgehen versuche. Diese psychischen Vorgänge des Symptomatisierens, die sich meist beim Schulkind erst so richtig zeigen, sind also psychisch wie körperlich und geistig sehr anspruchsvolle Prozesse. Eltern die dann mit Druck auf ein Leistungsversagen reagieren, egal, wie sanft verpackt er auch angewendet wird, tun also alles, damit das Festhalten am Symptom (Faulheit, Platzangst, Klassenclownerie, Esssucht) für das Kind weiterhin einen Sinn ergibt. Strenge hilft somit nie, Entwertung durch Nichtbeachtung des Problems, jedoch auch nicht. Das Einzige was wirklich nützt, so Ruth, sei die hunderprozentige Annahme des Kindes. Mann nennt es auch bedingungslose Liebe. Meist sind die Eltern jedoch stark damit befasst ihre eigenen „Fehler“ im Kind, wie auch immer, zu bearbeiten und das führt dazu, dass das Kind auf Dauer nicht mehr recht weiss wer es ist. Deshalb ist ein gewisser Abstand der Gefühle von Nöten, der allerdings schnell zu Kälte führen kann. Lässt man Kinder mit ihren emotionalen Nöten dann aus Angst alles falsch zu machen, allein, führt das bei diesen schnell zu einem Einsamkeitsgefühl, welches dann wiederum eine Art Fatalismus dem Leben gegenüber erzeugen kann. Dann kommt die sog. Pechvogelideologie zum Zuge. Der Pechvogel sammelt dann immerzu Beweise für seinen Glauben, eben den daran, dass es ein Pechvogel sei. Auch ich war so ein Schulkind mit wenig Stabilität und Selbstvertrauen (zum Glück nicht ganz ohne Selbstbewusstsein) und der Pechvogel war auch mir lange der liebste Vogel. Ich mag ihn immer noch mehr als den Pfau. Ein Pfau ist allerdings doch auch imposant, er kann ja nichts dafür, dass er so schön ist.


© Bettie I. Alfred, 9.6.2021


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