Die Wut hat(te) es eilig

Erinnere mich an Zeiten, wo ich begeistert den Wetterfleck von Thomas Bernhard gelesen habe. Jetzt lese ich Alfred, und wie immer wenn man zu viel mit dem Selbst hantieren muss, will man fort davon. Merke beim letzten Kapitel des Buches, das tatsächlich einen Roman darstellen soll, dass ich das allerwichtigste vergessen habe. Die Lichtnelke! Sie kommt nicht vor. Mist, wie konnte ich sie vergessen. Das Erlebnis als ich das Stengelgewächs inmitten eines mühsam konstruierten Blumengetöpfs wild und frech wachsend und im Dunkeln leuchten sah, war phänomenaler noch gewesen, als alle schönen Erlebnisse, die es spärlich aber doch massenhaft, in meinem Leben bisher gegeben hat. Selbst mein mich ständig in die Wahrheitswut treibendes Misstrauen gegenüber allem, was mir als „zu schön“ erscheint, wusste dieses Lichtnelkenerlebnis mit Leichtigkeit zu überwuchern. Dieses Naturgebilde namens Blume war tatsächlich einfach nur eins: schön. Schön und gut. Nichts langweiliger als das? Natürlich war eine Wut oft interessanter als eine bloße Schönheit, doch wer sagte noch gleich -Wut habe es immer zu eilig-? Seneca die alte Kriegstrompete. Die Geduld steht am Anfang. Immer. Muss am Anfang stehen, sonst rennt man gegen die Wände der überall aufstoßenden Luftschlösser.


© Bettie I. Alfred, 2.8.22


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