Vor fast einem Jahrzehnt ging ich einmal mit M., der
einem viel erklären konnte, jedoch wenig zu sagen hatte, in ein Cafe. Der Bäcker und Kellner in einem, begrüsste ihn (dabei schien er sich nicht einmal überwinden zu müssen, trotz eines eher zurückhaltenden Temperaments) mit einem enorm fröhlichen: „Was möchtest du essen, Professor?“ M. siegessicher wie der berühmte Pfau, der sein gespreiztes Rad spazieren trägt, schaute mich daraufhin eindeutig stolz und viel zu lange an und erwartete wohl eine Art beifallsartige Bewunderung meinerseits. Die ich ja sogar hätte haben wollen, jedoch keinesfalls zu äußern gedachte, da ich mir nicht sicher gewesen war, ob der von vielen Seiten für bedeutend gehaltene männliche Mensch insgeheim Schläue bei Frauen verachtete und der Vorgang, so wie er vonstatten gegangen war, und zudem noch Erweiterung gefunden hatte, in dem der Koch zu all dem Unglück ihn nicht nur mit einem Titel begrüsst, sondern zudem ausschließlich den hoch geehrten Professor nach seinen Wünschen gefragt, sprich mich vollkommen unpassend aussen vor gelassen hatte, was eine Bestellung betraf. Mit einer Zustimmung des Professorenthemas meinerseits wäre also etwas in Gang gekommen, das dann schlußendlich zu nichts, ausser zu einer enormen Blamage meinerseits, geführt hätte und ich nicht einmal mehr von unterm Scheffel heraus Einspruch hätte erheben können. In Beschämungssituationen zwar ungeheuer geübt, jedoch in Gedanken genau in jener Zeit schon auf „Abwegen“ unterwegs, blieb ich dann stabil passiv und seufzte nur einmal vor mich hin, bevor ich beim „Professor“ nachfragte, ob ich denn vom Kuchen einmal abbeissen dürfe. Der Gedanke, wenn ich denn schon, wegen Minderwertigkeit nichts Eigenes bestellen würde können, aber abbeissen in Frage käme, war nicht wirklich beruhigend, jedoch lockerte er die Situation ein wenig auf. Na klar, die Antwort dann von M..
Ein Jahr später dann ging ich mit R., einem sprachfaulen mit Anglizismen um sich werfenden Possenreisser in eben denselben Laden, ihm vollkommen unbekannt, da nicht in der Nähe der Weserrakete (Gebiet in Berlin, wo alles im Trend liegt) liegend. Derselbe Bäcker und Kellner in einem trat prompt in der gleichen Art mit der er damals M. entgegengetreten war dann auch auf R. zu und die Frage, was der Professor denn essen wolle, liess mich in jenem Moment kurz lachen und weinen in einem. M. bestellte als sei nichts gewesen. Ich bat um einen Tee und diese dreistöckige Buchweizen-Ingwer-Torte! Gerne, der Bäcker und Kellner in einem. Ich verstand, hier war der Mann immer der Professor. Kein Grund sich aufzuregen. Nächstes Mal mit Klebebart.
© Bettie I. Alfred, 23.9.2022