Klirren hilft

-Das Jetzt- immer ganz anders, als man denkt. Stimmen werden plötzlich weich und Herzen ebenso abrupt steinig, alles unverhofft und dann doch nachvollziehbar. Jeder ist bei anderen Themen wach, jeder bei anderen hilfsbedürftig. Kälte in den Zügen hilft nur bedingt, meist ist sie dazu da um eine bedrohlich wirkende Freiheit im Denken abzuwehren. Man sucht stattdessen händeringend nach Vorgaben, nach Motti und Treibsätzen, die möglichst viele abgenickt herausposaunen, erst dann, wenn es tüchtig hallt, fühlt man sich wohl im Agitieren. Bei all dem Gebrause sitze ich auf einem Stuhl und habe Lust mich zu drehen, wie das Kettenkarussell, in dem ich als Kind kauerte und das Gefühl mich währenddessen beherrschte, daß ich beim Loslassen der Haltestange, umgehend durchs Gestänge rutschen würde. Das Gefühl immer noch da. Kein Wunder daß ich, als ich bei Hasenclever, den ersten Satz lese: Er setzte sich in den Garten auf eine Bank, in Erleichterung aufgehe und ihn immer wieder lese. Die Waschmaschine mit der ich zuletzt konfrontiert war, war eine sehr moderne, die die Minuten rückwärts anzeigte, die noch bis zur Aufhängung verblieben. Nachdem ich einen Waschgang gestartet hatte, ging ich anfangs andauernd gucken wie die aktuelle Zahl war: 140/136/121/88. Dann vergaß ich das Ganze durch Pseudoarbeit (sortieren). Beim Sortiervorgang schritten die Nachbarn über mir durchs Zimmer, das eigentlich ein Palast ist und kein Zimmer. Der gläserne, mit feinen, dicht hängenden Stäbchen bestückte Kronleuchter zitterte und klirrte dabei ganz leicht. Das Geräusch war schön. Ich hatte es noch nie wahrgenommen, dabei hatte ich bestimmt schon an die hundert Mal unter ihm, dem Leuchter gesessen. Dieses Geräusch ist tatsächlich fähig, eine gewisse Lebensmüdigkeit zu vertreiben.

© Bettie I. Alfred, 9.10.22


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