Aus den Zeiten eines Strumpfhosentieres 7

Anstatt einen Feierabend zu zelebrieren, setze ich mich nach der Bucharbeit nun auch noch hin und schreibe am Strumpfhosentier weiter. Dazu höre ich eine Art windeseilig gespielte Gamelanmusik, die mich antreibt. Also mit den Buchstaben, mit dem Spiel auf der Tastatur, antreibt. Das Problem ist nur, dass das Hirn im selben Moment, indem die Finger hektisch auf und ab hacken, gaaanz langsam ist. Ich denke also nur wenig zähes Geschehen und die Fingertiere wollen aber lieber etwas hastig Gedachtes aufschreiben. Ein Einfaches wäre es, wenn ich ein Backblogmädchen wäre. Dann hätte ich so einen Backblog, wie Milliarden von jungen Frauen einen haben und wo sie mit viel Zartheit im Geschmack, ellenlange Rezepturen aufstellen, um anderen mitzuteilen, was sie backen und verzehren. Ich kann und konnte noch nie sonderlich artenreich Nahrung herstellen. Essen war mir immer ein wenig lästig, die Zubereitung sowieso. Schon als Kind sagte ich zum Vater, wenn er beispielsweise freitags feststellte, dass wir gar nichts mehr zu Essen haben:“So ein Quatsch, da steht doch noch Marmelade im Regal!“ Der Vater lachte dann und sagte, dass man sich ja nicht nur von Marmelade ernähren könne. Ich verstand nicht wieso man das nicht tun können sollte. Jemand sagt: mein Mann ist nicht mein Mann, sondern eine Gewohnheit. Ich belauschte das während ich in der Schlange von Aldi stand. Wenn ich in der Schlange von Aldi stehe, denke ich jedes Mal, dass ich hoffentlich nicht so bald eingehe, denn würde ich das, dann hätte ich eine Unmenge an Lebenszeit in der Schlange von Aldi gestanden. Würde ich dagegen weiter bleiben und sogar sehr alt werden, also wüsste ich das, dass ich das werde, also alt, dann würde ich mich ab jetzt definitiv nicht mehr so oft in die Schlange von Aldi stellen, denn dann wäre das Verhältnis von Leben und in der Schlange stehen, deutlich ausgeglichener. Ich gehe andauernd einkaufen und andauernd spazieren und trinke vier Liter Tee am Tag und somit schenke ich mir andauernd Tee in ein Gefäss. Ich gehe auch andauern aufs Klo und andauernd ins Bett und schaue noch weitaus mehr andauernder in ein Gerät hinein (es ist eins der wie die Fachleute sagen „ersten Generation“ und es macht mich stolz, das ich nur alten Mist habe, nichts, was was taugt, wie der Freund, der meint, dass Tempos besser sind, als die Pseudotempos. Diese, so er, rissen schneller.) Sterben tut man wohl nur ein einziges mal, soweit ich weiss und wenigstens ist das dann ein Punkt, wenn er denn käme, der einen nicht umgehend wenn er da wäre, an eine Situation erinnern würde, die man schon 100. 000 Mal erlebt hat. Ödnis ist ein Unglück. Schon als Kind sprang ich gerne wie ein Reh in ein Unglück hinein, wollte natürlich eigentlich Glück erleben und verschätzte mich dann aber immer schnell und sass dann da und empfand das Leben ohne Sprungtuch dann doch eher als Beschwerlichkeit als als einen lustigen Jahrmarkt. Der Rummel im übrigen parkte immer genau vor unserem Fenster. Im Dorf, genauer gesagt mitten im Dorf vor unserem Fenster. Einmal sogar mit echten Tieren hinter Gittern. Heute bekäme man Würgereiz: Tiere im Käfig, ein schauerlicher Anblick, mehr nicht. Damals war man heiss darauf. Ich höchst interessiert, besonders an Affen. So sehr interessiert, dass ich die Absperrung unterlief und mich ganz dicht an den Käfig stellte. Die Meerkatze dann auch an mir höchst interessiert, griff zu, ins volle Haar und riss den Büschel aus. Trotz allem fand ich sie, die Meerkatze, unfassbar süss. Dieses Gesichtchen, wie gemalt. Der Schmerz dann unterdrückt, nur halb so wild und doch war Blut geflossen. Und die Jungs dann staunend, weil ich, die ich doch gar nicht wie sie, die starken Typen, im Judo gewesen war, sondern lediglich in einer Art Tanzturnfreizeit angemeldet, und doch so mutig? Mutigsein eine Eigenschaft, nicht unbedingt eine gute, denn viel Mut führt auch zu vielen Pflasterungen auf dem Kinderkörper. Der Spruch einer jungen flach sich belustigenden Mutter, als das Kindlein wie wild den Berg mit dem Fahrrad hinab raste und ich kurz zuckte, weil ich Gefahr witterte: Hauptsache nicht ängstlich! Dann der abwegigste, der mir je begegnet war.


7.2.23 © Bettie I. Alfred


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