„Der Mensch ist kein Kübel“ (Karl Popper). Und doch fühlt er sich dann und wann als ein solcher. Die Irrationalität von Beziehungsgeflechten führt oft zu Kübeleien, die man sortiert bekommen will, weil sie nicht so recht in den ewigen Entwurf des eigenen Lebens zu passen scheinen. Brinkmann versuchte das ganze Gekübele abzuwehren, in dem er die Worte, die der Schreiber schafft um sich mitzuteilen, als verschimmelte Erfahrungen abtat. Wer nichts gegen Schimmel hat, kann diesem Gedanken sicher etwas abgewinnen. Ich selbst habe eine Schimmelallergie, was dazu führt, dass ich, wenn ich in einem Raum übernachten muss, wo der kleinste Schimmelkeim zu finden ist, eine pfeifende Lunge bekomme. Ich könnte also gut bei einer Hausverwaltung als Schimmelseismographin arbeiten. Ein schlechter Scherz, denn angenehm ist es nicht, in einem Raum nächtigen zu müssen, dessen Zustand diese Pfeifgeräusche erzeugen kann. Heute, wie immer beim plötzlichen Herausbrechen der Sonne, ein wenig mit Umstellungsschwierigkeiten befasst. Die Polarjacke zu dick, um in ihr spazieren zu gehen, die Lodenjacke zu dünn. Bemützung überflüssig, doch ein Mützengesicht immer einfacher zu ertragen. Die Haarpracht schafft immerzu Irritationen, die ich nicht benötige. Wie auch beim Schreiben gibt es im Sichpräsentieren ja gewisse Vorstellungen. Präsentationsweisen, die eindeutig Seriosität suggerieren sollen (bei wem eigentlich?) liegen mir ab und an so gar nicht. Eine Bürste unnötig und doch werde ich mir eine kaufen müssen. Bin ich dann also im Außenseitermodus gefangen, kommt auch immer gleich jemand im Traum vorbei und erhebt sich über mich. Des Pullovers Loch mit einem nicht ganz kongruenten Wollmaterial gestopft, ein Fleck, die Unordnung im Haargestrüpp, ein Zeichen von Minderwertigkeit. Ich sehe die Mutter, als ich ein junges Flohmarktmädchen gewesen war, mir die „schöne“ dunkelrote Breitkordhose hinhaltend noch vor mir. Die mit den Löchern eine Zumutung. Für wen eigentlich? Der Breitkord in Bordeaux dann nicht mein Stil. Und doch zog ich sie an und fühlte mich in ihr vor den Gästen wie jemand der seine Identität verleugnet. Heute nun endlich die Befreiung durch das Prinzip der Verzweigung. Beides geht, Verlotterung und Fehlerfreiheit zugleich. Das Bennsche Entweder-Oder-Prinzip tut nicht mehr weh, sondern gut. Und die poetische Weltflucht – sie geht weiterhin bemerkenswert gut von statten.
© Bettie I. Alfred, 28.2.23