Kopfstehende Welt

Der Mann kommt ins Zimmer und fragt, ob ich Lust hätte mit dem Fahrrad in eine etwas entlegene Gegend zu fahren, um dort ein paar zu verschenkende Kohlenbündel abzuholen. Da es heute Hitzewarnung gibt zögere ich erst einmal. Dann höre ich vor dem Fenster Fussballgesänge. Man sagt ja tatsächlich ‚Gesang‘ zu so einem Gebrüll. Ich habe nichts gegen Fussball, habe selber mal welches geschaut und gesungen dazu. Aber, dass man dieses Spiel über alles andere stellt, dass ist eine merkwürdige Verklärung. Einer der Ungarn hat dann Zahlen auf dem Hals. Und ein Deutscher hat Ähnlichkeit mit einer Nussknackerfigur aus meiner Kindheit. Ich achte immer auf diese Äußerlichkeiten, weil ich ja weiss, dass es ansonsten nur um eins geht: des Runde soll ins Eckige. Man bekommt es ja gleich mit, wenn es geklappt hat und muss somit gar nicht auf das Gemaucke achten, sondern kann sich eben anderen Theman widmen. Dass Schweini, den ich einmal sehr verehrte (warum weiss ich nicht, aber ich meinte damals, es war das Jahr 2006, dass er mich weiterbrächte und machte ein Konzert mit dem Titel: 2 Songs für Schweini), nun schon hellgrau ist, finde ich nicht weiter schlimm, selbst junge Mädchen färben ja inzwischen grau, weil es als interessant gilt. Wäre ich heute jung, täte ich durchdrehn. Da ich es nicht mehr bin, bleibe ich, egal, was auch passiert, in einer Art Durchschnittsgefühlslage hängen. Das liegt auch daran, dass man inzwischen weiß „wie der Hase läuft“.
Fühle mich, nachdem ich ein Interview mit Ioneco über seine Nashörner las, ihm ungemein nah. Das ist dann aber dann doch eine Art verwirrtes Fühlen, denn ich habe keinerlei Grund, wie er ihn gehabt hatte, die Welt auf den Kopf zu stellen. Meine ist sowieso eine immerzu Kopfstehende.
Die Kohlenbündel, wir holen sie.

© Bettie I. Alfred, 2024