Archive for the ‘Der Mensch’ Category
Meerkatzer – Hörspielkritik (mit Kommentar)
März 9, 2023…
März 8, 2023Die wasserlose Insel im verlebten Meer
März 6, 2023Angstlos wanke ich durch meine Wohnung. Wohnung ein seltsames Wort. Es ist aber eine, meine Wohnung. Ich wohne in ihr seit Ewigkeiten. Im Zug sitzend auf einer langen Fahrt, spürte ich die Neuzeit vibrieren. Überall vernetzte Menschen, der Krach trotz Reglern immens. Lese inmitten des Tohuwabohus ein altes Buch über den schriftstellerischen Zustand der endsiebziger Jahre und ahne in jenem Augenblick, was mit dem Ausspruch industrielle Herstellung von Einheitsgefühlen gemeint sein könnte. Und schon könnte man wieder ins Predigen kommen: lasst doch die Geräte mal aus, lest doch mal ein Buch, etc. etc. Doch schon bremse ich mich und beschließe mein Gedankenmaul zu zähmen, denn was geht es mich an, wie andere sich am Leben erfreuen. Hier spricht tatsächlich doch das Leben und nicht der Verstand und der hat zunehmend ein Nachsehen (bei mir). So wie die Lustigkeit ein Seelenrollstuhl ist, so ist es eben auch dieser irrigwirrige Verstand. Mein Romangespenst wurde dann gestern zu einer wunderschönen Realität. Man las mir aus den selbstgezimmerten Seiten vor und ich war selig. Eines Tages ist man nun also doch erwachsen und sitzt da und ist nicht zersplittert, sondern das Gegenteil. Das Leben braucht nur ein Minimum an Regie um zu laufen, und doch ein Geländer. An einem Geländer kann man turnen, aber auch einfach entlanggehen. Griffig entlanggehen. Zum Ziel. Das Ziel eventuell dann eine umtoste, jedoch ungefährliche wasserlose Insel im verlebten Meer.
© Bettie I. Alfred, 6.3.23
Immerzu ist jeder mal ein Kübel
Februar 28, 2023„Der Mensch ist kein Kübel“ (Karl Popper). Und doch fühlt er sich dann und wann als ein solcher. Die Irrationalität von Beziehungsgeflechten führt oft zu Kübeleien, die man sortiert bekommen will, weil sie nicht so recht in den ewigen Entwurf des eigenen Lebens zu passen scheinen. Brinkmann versuchte das ganze Gekübele abzuwehren, in dem er die Worte, die der Schreiber schafft um sich mitzuteilen, als verschimmelte Erfahrungen abtat. Wer nichts gegen Schimmel hat, kann diesem Gedanken sicher etwas abgewinnen. Ich selbst habe eine Schimmelallergie, was dazu führt, dass ich, wenn ich in einem Raum übernachten muss, wo der kleinste Schimmelkeim zu finden ist, eine pfeifende Lunge bekomme. Ich könnte also gut bei einer Hausverwaltung als Schimmelseismographin arbeiten. Ein schlechter Scherz, denn angenehm ist es nicht, in einem Raum nächtigen zu müssen, dessen Zustand diese Pfeifgeräusche erzeugen kann. Heute, wie immer beim plötzlichen Herausbrechen der Sonne, ein wenig mit Umstellungsschwierigkeiten befasst. Die Polarjacke zu dick, um in ihr spazieren zu gehen, die Lodenjacke zu dünn. Bemützung überflüssig, doch ein Mützengesicht immer einfacher zu ertragen. Die Haarpracht schafft immerzu Irritationen, die ich nicht benötige. Wie auch beim Schreiben gibt es im Sichpräsentieren ja gewisse Vorstellungen. Präsentationsweisen, die eindeutig Seriosität suggerieren sollen (bei wem eigentlich?) liegen mir ab und an so gar nicht. Eine Bürste unnötig und doch werde ich mir eine kaufen müssen. Bin ich dann also im Außenseitermodus gefangen, kommt auch immer gleich jemand im Traum vorbei und erhebt sich über mich. Des Pullovers Loch mit einem nicht ganz kongruenten Wollmaterial gestopft, ein Fleck, die Unordnung im Haargestrüpp, ein Zeichen von Minderwertigkeit. Ich sehe die Mutter, als ich ein junges Flohmarktmädchen gewesen war, mir die „schöne“ dunkelrote Breitkordhose hinhaltend noch vor mir. Die mit den Löchern eine Zumutung. Für wen eigentlich? Der Breitkord in Bordeaux dann nicht mein Stil. Und doch zog ich sie an und fühlte mich in ihr vor den Gästen wie jemand der seine Identität verleugnet. Heute nun endlich die Befreiung durch das Prinzip der Verzweigung. Beides geht, Verlotterung und Fehlerfreiheit zugleich. Das Bennsche Entweder-Oder-Prinzip tut nicht mehr weh, sondern gut. Und die poetische Weltflucht – sie geht weiterhin bemerkenswert gut von statten.
© Bettie I. Alfred, 28.2.23